Die fünfte Etappe der Wohnmobiltour entlang des Grünen Bandes verlässt die Grenzlinie zwischen Niedersachsen / Sachsen-Anhalt und endet bei Bad Sooden-Allendorf am Grenzfluss Werra. In Clausthal-Zellerfeld bleiben wir ein paar Tage auf einem Campingplatz, wandern am Oberharzer Wasserregal sowie oben am Torfhaus und besuchen den weltweit größten Kräuterpark in Altenau. Über Osterode und das Grenzlandmuseum Sorge erreichen wir das Heinz-Sielmann Naturerlebniszentrum im sehenswerten Duderstadt. Auf der anderen Grenzseite, jetzt in Thüringen, ist das interessanteste Grenzlandmuseum Eichsfeld. In Bad Sooden-Allendorf erhoffen wir für die nächsten Tage etwas Ruhe und Entspannung auf dem Campingplatz.
6. September 2020: Wanderung am Oberharzer Wasserregal
Die Nacht auf dem Parklpatz am Besucherzentrum Torfhaus war überraschend ruhig, kaum Verkehr auf der Bundesstraße. Wahrscheinlich auch weil heute Sonntag ist. Nach dem ersten Kaffee und einem gemütlichen Frühstück war der riesige Parkplatz allerdings schon recht gut gefüllt. Unmengen Wanderer schnüren Schuhe, holen Stöcke und Rucksack aus dem Auto, bevor sie sich auf Wanderschaft begeben. Heike meint, dass es sicher ziemlich gedrängt auf den Wanderwegen wird. So beschließen wir für eine paar Nächte auf einen Campingplatz zu gehen, um an einem Wochentag wieder zu kommen.
Also machen wir uns auf den Weg Richtung Clausthal-Zellerfeld, vorbei an dem ziemlich leer gelaufenen Okerstausee. Dann ist der direkte Weg gesperrt und eine weitläufige Umleitung über Goslar eingerichtet. Am “Großen Kellerhalsteich” stellen wir Iwan ab, um den ca. 11 km langen WasserWanderWeg am Zeller Kunstgraben entlang zu laufen.
Der Kellerhalsteich wurde 1724 als Stausee für das Oberharzer Wasserregal SuperTippangelegt. Er diente als Kraftwasserversorung für den Bergbau. Über einen 6,2 km langen Graben, der mit möglichst wenig Steigung immer den Höhenlienien der Berge folgt, wurde das Wasser zur Zeche transportiert. Heute dient der See zur Trinkwasserversorgung. Die Gegend um Clausthal Zellerfeld ist mit unzähligen künstlichen Seen und Kanälen durchzogen.
… ein weltweit einmaliges Wasserleitsystem, das vom Unesco-Welterbekommitee im August 2010 in die Liste der Natur- und Kulturerbe aufgenommen wurde. Das Komitee würdigte die Oberharzer Wasserwirtschaft als eines der weltweit größten vorindustriellen Energieversorgungssysteme.
Die Welterbestätte “Oberharzer Wasserwirtschaft” besteht aus 107 historischen Teichen, Gräben mit einer Gesamtlänge von 310 km und Wasserläufen mit einer Gesamtlänge von 31 km. Vor mehr als 800 Jahren legten Zisterziensermönche im Harz dieses Wasserleitsystem an, um die Wasserkraft für den Bergbau in der Region nutzbar zu machen. Ohne die intensive Nutzung von Wasserenergie hätte sich der Harz vermutlich nicht zu einer der bedeutendsten Bergbauregionen entwickeln könnten. Heute stehen die Anlagen der Oberharzer Wasserwirtschaft unter Denkmalschutz, werden aber teilweise noch zur Trinkwassergewinnung genutzt. (Zitat: https://www.oberharz.de/sommer/kultur-im-harz/oberharzer-wasserwirtschaft-unesco-weltkulturerbe/ )
Die gewundenen Wasserkanäle sind vielleicht 50 cm breit. Daneben verlaufen schmale Fußwege, die früher für Wartungsarbeiten nötig waren und heute ideale Wanderwege sind. Es gibt insgesamt 22 WasserWanderWege, die mit einem kleinen Wasserrad und einer Nummer ausgeschildert sind.
Nach der Wanderung fahren wir zum Campingplatz Waldweben Tipp inClauthal-Zellerfeld und richten uns dort für 2 Nächte häuslich ein.
7. September 2020: Wald-Wandel Weg und das Torfhaus Moor
Heute, am Montag, ist am Torfhaus bestimmt weniger los. Oben angekommen ist es tatsächlich viel ruhiger als am Sonntag. War eine gute Idee von Heike unsere Wanderung zu verschieben. Eigentlich wollten wir auch hoch auf den Brocken, aber das Wetter macht nicht mit. Es ist einfach zu kalt, windig und unbeständig. Also suchen wir uns einen schönen Rundweg um die 15.000 Schritte zu sammeln.
Die Wälder im Harz sehen auf großen Flächen schon erbärmlich aus. Entweder ist alles abgeholzt oder es stehen nur Baumgerippe herum. Aber es ist auch zu sehen, dass überall neue Pflanzen und Bäumchen sprießen: der Bewuchs ist vielfältiger, es blüht und Insekten schwirren herum. Wie sich der Wald wandelt, ist am besten auf dem Wald-Wandel-Weg zu sehen. Hier hat man den direkten Vergleich, wie in nur 10 Jahren aus einer öden Fläche ein neuer gewandelter Wald entsteht. Und zwar ohne menschliche Eingriffe, wie z.B. Aufforstung! Heute sieht es vielleicht noch trostlos aus, aber das ist nicht von langer Dauer.
Auch am Torfhaus sind noch Kanäle und Schleusen des Wasserregals zu erkennen. Wir gehen hinauf zum Hochmoor und haben von dort einen tollen Blick auf den Brocken.
8. September 2020: Kräuterpark und Osterode
Im schönen, kleinen Örtchen Altenau gibt es mit 30.000qm den weltweit größten Kräuterpark SuperTipp. Auf den wilden Wiesen und Beeten schwirren und brummen vielzählige Insekten, sogar noch so spät im Jahr. Es gibt eine Lavendelschule, eine Melissenschule, eine Minzenschule oder auch eine Thymianschule mit unzähligen Varianten der jeweiligen Kräutersorten. In der GewürzPagode, mitten im Park, ist eine Ausstellung über die Geschichte, Handelswege der Gewürze und deren Herkunft, Heilwirkung, Verwendung.
Von Altenau fahren wir auf der B498 ganz grenznah das Flüsschen Sose entlang, vorbei an der Sosetalsperre bis nach Osterode Tipp. Auf dem Parkplatz neben der Touristeninformation gibt es noch ein freies Plätzchen zum Übernachten. Mit einem historischen Stadtführer von der Touri-Info ziehen wir los zu einer Stadtbesichtigung. 14 Stationen leiten durch die Altstadt mit vielen Fachwerkhäusern und die Stadtmauer entlang. Mehrfach sprechen uns hilfsbereite Einwohner von Osterode an, sobald wir stehen bleiben um uns zu orientieren. Sie helfen weiter, erzählen über ihre Stadt und sind recht stolz auf Osterode. Dennoch beklagen sie aber den langsamen Niedergang und sind mit der Entwicklung unzufrieden. Wie in vielen Städten sind einige Läden leer und Restaurants geschlossen. Trotzdem hat Osterode noch einige zu bieten und lohnt einen Aufenthalt. Zum Abendessen gehen wir in das Restaurant Ratswaage Tipp. Wir sitzen bei kühlem Wetter draußen, genießen die freundliche Bedienung und das gute Essen. Am Nachbartisch halten 5 schwerhörige “Opis”, so zwischen 70 und 80, ihren wöchentlichen Stammtisch ab. Heute der erste nach einer längeren Coronapause!!! Sie waren nur etwas irritiert, dass wir an ihrem gewohnten Tisch sitzen. Nach den Austausch von Erinnerungen, ein paar Tassen Kaffe und einem Bier düsen sie mit ihrem Rollator wieder nach Hause.
9. September 2020: Grenzlandschaft Sorge und romantischer Abend
In 10 Tagen müssen wir schon wieder zurück sein und es gibt noch einiges entlang der Grenze anzuschauen. Heute wird deshalb ein bisschen weiter gefahren als in den letzten Tagen. Wir folgen auch nicht mehr ganz der Grenze, sondern nehmen ab und zu Abkürzungen, um den ein oder anderen Schlenker des Grünen Bandes zu vermeiden.
Durch das Siebertal geht eine schöne, kurvige Straße hinauf nach Sankt Andreasberg. Dann fahren wir über Braunlage wieder an die Grenze zwischen Niedersachen und Sachsen-Anhalt. Am Ortsende von Sorge stellen wir Iwan ab, um die tägliche Wandereinheit zu absolvieren. Vom Parkplatz geht man noch ein Stück bis zum Grenzlandmuseum Sorge Tipp. Ab da führt der Kolonnenweg kilometerweit über Berg und Tal. Im Museum sind die Grenzzäune und Sicherungsanlagen noch erhalten und man sieht, über welche Breite sich die Grenzsicherung erstreckt hat. Der Ring der Erinnerung, ein aufgeschichteter Wall aus Totholz, ist nach 27 Jahren nur noch schwer zu erkennen. Er soll ja auch den Kreislauf von Werden und Vergehen symbolisieren.
Wir gehen noch ein ganzes Stück den Grenzweg entlang und dann durch den Wald dem Ochsenbach folgend zurück.
Mehr oder weniger folgen wir dem Grünen Band bis zum Sielmann Naturschutzzentrum in Duderstadt. Es ist schon 17:00 Uhr bei unserer Ankunft und zu spät für einen Besuch. Wir stellen uns auf den Parkplatz bei der Franz-von-Assisi Kapelle. Eigentlich ist es hier toll zum Übernachten – es ist aber Privatbesitz der Heinz-Sielmann Stiftung und kein offizieller Parkplatz, nächtigen ist nicht erlaubt. Bei der Einfahrt auf den Parkplatz ist dies aber nicht ersichtlich: es steht recht versteckt auf der Informationstafel über das Naturzentrum.
Wir bleiben dort stehen, gehen den Sielmann Rundweg, genießen beim Abendessen den Sonnenuntergang, bis uns ein Mitarbeiter des Zentrums höflich bittet, einen anderen Stellplatz anzufahren. Wir kurven hinunter nach Duderstadt und stellen uns dort auf den großen Parkplatz am Adenauerring. Zuerst bedauern wir diesen Umzug. Nachträglich betrachtet war die “Vertreibung” ein Glück. Ansonst hätten wir einiges verpasst.
10. September 2020: Überrascht von Duderstadt und vom Grenzmuseum Eichsfeld
Einen Schlenker durch Duderstadt erlauben wir uns, bevor es wieder hinauf zum Naturschutzzentrum geht. Was wir dabei sehen gefällt und so sehr, dass wir einen Parkplatz ansteuern um Duderstadt SuperTipp etwas genauer zu inspizieren. Duderstadt ist die Stadt der Türme: sei es der gewundene Turm des Westerturmes, die beiden Kirchtürme an den Enden des Marktplatzes oder die drei Türme des tollen Rathauses. Das Stadtbild prägen die vielen schmucken Fachwerkhäuser, Restaurants und Cafes, in denen viele Leute sitzen. Vor allem die gewagte, auffallende und doch sehr passende Architektur des Schützenmuseums am Westerturm gefällt und ausgesprochen gut.
Die Sielmann Stiftung hat bei Duderstadt das Hofgut Herbishagen erworben. Erlebnisstationen auf dem Ökobauernhof sind der Stall mit seltenen Haus- und Nutztierrassen, ein Naturlehrpfad mit Bauerngarten, Bienenhaus und Insekten-Nistwand, ein Feuchtbiotop, ein Damwildgehege und vieles mehr. Man kann hier so richtig die Landluft auf einem Bauernhof schnuppern. Ein schönes Erlebnis für Kinder, aber auch für Erwachsene. Ausruhen lässt sich im Hofcafé bei Eis und Kuchen.
Nicht weit von Duderstadt liegt beim ehemaligen Grenzübergang Duderstadt-Worbis das Grenzlandmuseum Eichsfeld Tipp. Im Museum ist die Geschichte der innerdeutschen Grenze dargestellt: vom Auf- und Ausbau der Grenzanlagen, die Auswirkung auf die Region Eichsfeld oder Einzelschicksale im Grenzgebiet. Bei der “Aktion Ungeziefer” waren insgesamt 336 Personen im Kreis Eichsfeld von der Umsiedlung betroffen. Bei der zweiten Säuberung, der “Aktion Festigung” 1961, waren es noch einmal 152 Personen. Als die Grenzanlagen am 1. Oktober 1961 stärker befestigt wurden, entschlossen sich in Böseckerdorf insgesamt 55 Menschen zur Flucht! Am 2. Oktober floh das halbe Dorf über die Grenze. Leider war es in Coronazeiten nicht möglich, sich mit dem nötigen Abstand in Ruhe die interessante Ausstellung anzusehen. Wir müssen deshalb nochmal wieder kommen.
Im Außenbereich des Museums führt der 6 km lange Grenzlandweg durch die im Original erhaltenen Grenzanlagen. Wir gehen nur ein Stück des Weges. Vorbei an der Gedenkstätte für die Fluchtopfer, über die Grenzbrücke und den Berg hinauf bis zur Führungsstelle Pferdeberg. Vor der Weiterfahrt gibt es noch im Grenzlandgrill “10 Grad Ost” zur Stärkung eine Currywurst .
Vom Museum geht es auf dem kürzesten Weg durch Thüringen bis in die Nähe von Bad Sooden-Allendorf zur Camping Oase Wahlhausen.
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