Im Land der weißen Berge

Die sechste Etappe der Wohnmobiltour entlang des Grünen Bandes folgt ein Stück der Grenze zwischen Hessen und Thüringen. Von unserer Basis auf der Camping Oase bei Bad Sooden-Allendorf geht es zu Fuß zum Grenzmuseum Schifflersgrund und zu einer Stadtbesichtigung nach Allendorf. Nach zwei Tagen fahren wir weiter über Eschwege bis zu einem Übernachtungsplatz in Heldra an der Werra. Eine Rundtour bei Heldra geht zur Burg Normanstein und in das schöne Städtchen Wanfried. Die letzte Strecke führt durch das Land der weißen Berge bis zur Gedenkstätte Point Alpha.

11. September 2020: Grenzmuseum Schifflersgrund

Die erste Nacht auf der Camping Oase Wahlhausen war wahrlich nicht oasenhaft, sondern sehr laut. Die vielbefahrene Kreisstraße führt direkt am Campingplatz vorbei und die Plätze für Kurzzeitcamper sind nur durch eine Hecke von der Straße getrennt. Nach einer Beschwerde können wir 3 Reihen in Richtung Werra vorrücken. Der Straßenlärm ist hier nicht mehr ganz so extrem zu hören, vielleicht liegt es aber auch nur am reduzierten Wochenendverkehr.

Der Campingplatz liegt 500 Meter von der Grenze Thüringen/Hessen und dem Kolonnenweg entfernt. Gegen Mittag laufen wir die Grenze entlang bis zum Grenzmuseum Schifflersgrund. Der Weg geht steil nach oben. Vorbei an der Nachbildung eines ehemaligen DDR-Beobachtungsturmes und dem Kunstwerk “1000 Steine” erreicht man nach 2 km den Eingang zum Grenzmuseum. Schon unterwegs sind der Beobachtungsbunker, Kontrollstreifen und der Grenzaun zum Westen zu sehen. Man kommt auch direkt an der Stelle vorbei, an der Heinz-Josef Große im Jahr 1982 flüchten wollte: bei Grenzarbeiten, die er schon seit vielen Jahren ausführte, fuhr er eines Tages seinen Frontlader an den Grenzzaun und sprang von der Schaufel über den Zaun. Um in den Westen zu kommen, musste er noch die steile Böschung bis zur Bundesstraße hinaufkelttern. Wenige Meter vor Erreichen der BRD Grenze wurde er von Grenzsoldaten erschossen. Westdeutsche Grenzer beobachteten die Flucht, durften aber nicht die Landesgrenze übertreten, sie mussten folglich ansehen wie Große verblutete. Der zur Flucht benutzte Frontlader ist im Museum ausgestellt.

Das Grenzmuseum Schifflersgrund wurde 1991 eröffnet und ist damit eines der ältesten Grenzmuseen. Zu sehen ist militärisches Gerät der Grenztruppen, Darstellung von Fluchtschicksalen und die Grenzsicherungsanlagen. Rund um das Museum stehen Werke mehrerer Künstler, die sich mit der Teilung Deutschlands, Flucht und Toten an der Grenze auseinandersetzen.

12. September 2020: Bad Sooden-Allendorf

Von Wahlhausen in Thüringen sind es ca. 2,5 km bis nach Bad Sooden-Allendorf Tipp in Hessen. Heute früh gehen wir nach Allendorf um ein paar Besorgungen und einen Stadtrundgang zu machen. Über 1000 Jahre wurden in den Siedehäusern  Salz gesiedet. Die Salzgewinnung und der Salzhandel hat vielen Bürgern Reichtum und Wohlstand gebracht. Das ist heute noch an den prächtigen Fachwerkhäusern in Allendorf zu sehen. Im Jahr 1926 wurden Allendorf und Sooden zwangsweise vereinigt. Sooden war bis dahin die Stadt der Salzgewinnung, in der die Arbeiter wohnten. In Allendorf, auf der anderen Seite der Werra, ließen sich die reichen Besitzer der Siedepfannen nieder.

Heute ist der Stadtteil Allendorf der idylischere Teil, in dem in der Altstadt ein vollständiges Ensemble von Fachwerkhäusern steht. Im nördlichen und östlich Teil  ist noch die fast komplette Stadtmauer erhalten. Der Stadtteil Bad Sooden ist geprägt von Kurkliniken und den Kurparks. Dort stehen auch das Gradierwerk und die Therme.

Zwischen den beiden Stadtteilen, auf einer Werrainsel, liegt der Wohnmobilstellplatz der Stadt, auf dem ca. 100 Mobile Platz haben.

Am Abend kommen wir nochmals zurück, um auf dem sehr schönen Marktplatz im Restaurant Pelikan Tipp zu essen.

13. September 2020: Eschwege und Heldra

Heute wird die Tour entlang des Grünen Bandes  fortgesetzt, auf der thüringischen Seite immer entlang der Grenze. Über kleine Sträßchen, durch schöne Dörfer und schöne Landschaften. In Volkerode folgen wir spontan dem braunen Schild: Aussichtspunkt Gobert. Fahren die Straße duchs Dorf bis auf einen Parkplatz am Ende der Straße. Von dort laufen wir auf dem sehr steilen Kolonnenweg bis hinauf zur Grenze. Oben auf dem Höhenrücken ist noch der breite Grenzstreifen zu sehen. Den gehen wir noch entlang und können an einigen Aussichtpunkten weit nach Hessen hinein schauen. An ein paar Stellen wurden hier oben Agentenschleusen entdeckt. Das sind schmale Röhren, die unter dem Grenzstreifen hindurchführen und irgendwo im Wald wieder zum Vorschein kommen. Durch diese Röhren sollen Stasi Agenten in den Westen eingeschleust worden sein.

In Kella fahren wir wieder über die Grenze nach Hessen und legen in Eschwege einen kurzen Stopp ein. Die 1000 Jahre alte Stadt liegt an der Werra und am Werratalsee. Wir sind schon etwas schlapp und gehen daher nur ziellos durch diese schöne Stadt mit angeblich 1000 Fachwerkhäusern. Mit einem Eis sitzen wir ermattet auf dem Marktplatz und hören dem Glockenspiel am alten Rathaus zu.

Jetzt wird es so langsam Zeit, den nächsten Übernachtungsplatz anzusteuern und auf einem Campingstuhl in der Sonne zu entspannen. Noch ein Stück die Werra entlang, durch Wanfried hindurch und wir kommen nach Heldra auf den Gemeindecampingplatz SuperTipp. Der Platz ist eine riesige Wiese. An einem Ende haben die Dorfbewohner ein kleines Sanitärgebäude und Stromkästen errichtet. Gegen Kaution und Gebühr bekommt man den Schlüssel zu den Duschen und WCs. Ohne Anspruch auf die Infrastruktur stellen wir uns für 5€ auf die Wiese, direkt an die Werra. Den großen Platz teilen wir uns mit 3 anderen Wohnmobilen und einem Zelt.

Heike macht noch einen Rundgang durchs Dorf, um ein paar Schritte zu sammeln. Sie kommt zurück und meint, wir müssen unbedingt in der Herberge im Kleegarten SuperTipp etwas trinken. Also nichts wie hin. Zufällig setzen wir uns im Garten an den Tisch, auf dem die Schiefertafel mit der Speisekarte liegt. Sehr vielversprechend! Am besten also mit dem Getränk auch noch eines der tollen Gerichte probieren! Im Garten ist es schon schattig, deswegen wechseln wir schnell an einen Tisch vor dem Haus und sitzen bei guten Getränken, super leckerem Essen noch lange in der Abendsonne.

14. September 2020: Rund um Wanfried

Nach einer ruhigen Nacht auf dem schönen Campingplatz haben wir keine Lust, heute weiter zu fahren und beschließen noch einen Tag länger zu bleiben. Ein paar interessante Ziele in der Umgebung gibt es auf alle Fälle anzuschauen. Nach dem Frühstück starten wir zu einer Rundtour und fahren als erstes zur “Burg Normanstein” bei Trettfurt/Thüringen.

Die Burg Normanstein ist eine komplett erhaltene mittelalterliche Burg. Auf einem Felssporn, hoch über der Stadt Treffurt gelegen, sind die 3 imposanten Türme schon von Weitem zu sehen. Von oben hat man einen tollen Blick über das Werratal. Die Straße bergauf ist einspurig, mit wenigen Ausweichmöglichkeiten. Innerhalb der Burg gibt es ein Restaurant mit einem großen Parkplatz, auf dem man bei einem Besuch sicher auch übernachten kann.

Im Grenzmuseum Schifflersgrund hatten wir etwas über einen einmaligen Vorgang im Jahr 1945 zwischen der USA und der Sowjewtunion gelesen. Eine für den Nachschub der USA Armee wichtige Bahnlinie verlief auf 4 km durch die Sowjetzone. Zeitweise blockierten die sowjetischen Truppen die Strecke, was zu ständigen Streitereien führte. Am 17. September 1945 vereinbarten die Militärs beider Staaten einen Gebietsaustausch. Ganze Gemeinden mitsamt den Bewohnern wechselten über Nacht die Besatzungzone, einige zu den Westmächten und andere in die Sowjetzone. Die Bahnlinie hieß seitdem die “Whisky-Wodka-Linie”, da nach der Vertragsunterzeichnung je eine Flasche mit Alkoholika den Besitzer wechselte. Dieser Wanfrieder Vertrag wurde im Gut Kalkhof etwas außerhalb von Wanfried geschlossen.

Wir begeben uns noch auf die Suche nach dem Gut Kalkhof und werden tatsächlich fündig.

Wenige Kilometer weiter liegt das schöne Städtchen Wanfried an der Werra. Mit dem historische Hafen, die Schlag, war Wanfried von 1182 bis 1850 ein wichtiger Umschlagplatz für den Weser-Werra Schiffsverkehr. Heute kann man in der Schlag, direkt an der Werra einkehren. Wanfried ist ein schönes Fachwerkstädtchen, das sich lohnt anzuschauen und sich zum Abschluss an die Werra in den Biergarten zu setzen.

15. September 2020: Durch das Land der weißen Berge

Heute geht es weiter die Grenze entlang. In Creuzburg fahren wir der falschen Umleitungsbeschilderung nach und müssen nach ein paar Kilometern umdrehen. Am südlichen Ortsausgang von Creuzburg sehen wir eine interessante Brücke mit einer Kapelle an einem Ende. Für einen kurzen Fotostopp fahren wir auf den Parkplatz an der Brücke.

Für die restliche Tagesetappe gibt die Werra die grobe Richtung vor. Bei Berka/Werra erscheinen plötzlich hohe, weiße und kahle Berge am Horizont. Wir sind mitten im Land der weißen Berge, einem riesigen Kaliabbaugebiet. Viele Tonnen Salz, die nicht für die Düngerproduktion gebraucht werden, landen auf gewaltigen Abraumhalden von gut 200 m Höhe, die man in dem Gebiet zwischen Bad Salzungen und Vacha entdecken kann.

In Vacha halten wir an dem hässlichen Stellplatz neben der Bundesstraße und der Werra. Heike macht an der “Brücke der Einheit“, die 40 Jahre gesperrt war und nicht betreten werden durfte, ein paar Fotos. Währenddessen erledige ich an der nicht so vertrauenserweckenden Station die Ver- und Entsorgungsarbeiten.

Ein Beitrag des MDR über das Land der weißen Berge

Bei der Gedenkstätte Point Alpha, in der Nähe von Geisa, erreichen wir unser Tagesziel. Dort gibt es auf einer großen Wiese einen Parkplatz, der sich hervorragend zum Übernachten eignet. Mit einem anderen Wohnmobil müssen wir uns die riesige Fläche teilen ?. Die Sonne ist fast am untergehen, alles taucht sie in ein rötliches Licht. Schnell ziehen wir die Wanderschuhe an und gehen auf dem Kolonnenweg am “Haus auf der Grenze” vorbei zum Weg der Hoffnung. Der Weg der Hoffnung ist ein Kunstprojekt mit 14 Skulpturen, die an den Widerstand gegen die kommunistischen Diktaturen erinnern. Die Motive sind alle christlich und zeigen Jesus mit Kreuz oder Dornenkrone. Auf dem Rückweg wird es schon dunkel und kühl. Wir verziehen uns ins Wohnmobil. Den Rest der Point Alpha Austellungen sehen wir uns morgen an.

Route

 

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