Versailles des Nordens, Dorfrepublik und das verschwundene Dorf

Die zweite Etappe der Wohnmobiltour entlang des “Grünen Bandes” beginnt im Norden an der Elbe. Von Berlin kommend überrascht Ludwigslust, auch als “Versailles des Nordens” bezeichnet. Direkt an der Elbe, mitten im ehemaligen Sperrgebiet, liegt die Dorfrepublik Rüterberg. Einige Kilometer weiter liegt Europas größte Binnendüne bei Klein Schmölen. Einen besonders denkwürdigen Ort besuchen wir an der Gedenkstätte des verschwundenen Dorfes Stresow.

28. August 2020: Ludwigslust

Berlin verlassen wir über die Stadtautobahn und die A24 Richtung Nordwesten. Unsere Vorräte füllen wir beim Supermarkt in Ludwigslust auf. Die letzten Tag waren recht frisch und Heikes Kleidung ist mehr auf die sommerlichen Temperaturen ausgerichtet, die bei unserer Abreise geherrscht haben. Deshalb suchen wir in Ludwigslust nach einer Möglichkeit einen Pullover zu kaufen. Schöne Ziegelhäuser, breite Straßen und natürlich das Schloss mit Park haben der Stadt den Beinamen “Versailles des Nordens” verschafft. Uns gefällt es, sponan entscheiden wir auf dem schönen Stellplatz beim Schloss zu bleiben und uns in Ruhe umzuschauen.

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Deshalb ließ Christian Ludwig der Zweite hier von 1731 bis 1734 ein Jagdschloss zu erbauen, dem Herzog Friedrich Franz 1754 den klangvollen Namen “Ludwigslust” gab.

Hinter dem Jagdschloss wurde wenig später der erste Park angelegt. Johann Joachim Busch, einer der verdienstvollen Baumeister, begann 1765 mit dem Bau der Hofkirche – heute die Stadtkirche. Sieben Jahre später verlagerte Herzog Friedrich “der Fromme”, der Nachfolger von Christian Ludwig, seine Residenz von Schwerin nach Ludwigslust. Aus diesem Grund wurde zwischen 1772 und 1776 das Residenzschloss gebaut.

Die Bauplanung von Ludwigslust wurde nicht dem Zufall überlassen. Alle Strassen sollten strahlenförmig auf das Schloss zulaufen. Auch die Häuser durften nicht größer als das Schloss sein. So durfte in der Schlossstraße niemand privat bauen. Auch der Park wurde systematisch angelegt und seine Wege führen ebenso strahlenförmig zum Schloss wie die der Stadt. (Zitat: https://www.ludwigslust.m-vp.de/geschichte-ludwigslust/

Ein Schloss braucht natürlich einen Schlosspark und ein Schlosspark ohne Wasserspiele ist nicht denkbar. Die Gegend um Ludwigslust ist sehr wasserarm. Deshalb wurde ein 28 km langer Kanal gebaut, um das Wasser von der Rögnitz nach Ludwigslust zu bringen. Alle Wasserspiele im Schlosspark und die Kaskade vor dem Schloss funktionieren nur durch das natürliche Gefälle des Wassers! Der Schlosspark in Ludwigslust ist mit 120 ha der größte Landschaftspark Mecklenburgs.

29. August 2020: Rüterberg, Binnendüne und Stresow

Nach einer ruhige Nacht fahren wir an die Elbe, in den südwestlichsten Zipfel von Mecklenburg. Dort liegt ein kleines Dorf mit einem besonderen Schicksal.

Dorfrepublik Rüterberg

Zu Zeiten der DDR lag Rüterberg in der Sperrzone des Grenzgebietes. Von der Elbe mit einem Grenzzaun abgeriegelt und im Hinterland, an der heutige B195, durch einen weiteren Zaun abgeschottet. Nur durch ein bewachtes Tor konnten die Bewohner mit Passierschein ihr Dorf verlassen oder betreten. Zwischen 22 Uhr und 5 Uhr war das Tor geschlossen. Auch hier wurden 1952 mit der “Aktion Ungeziefer” unliebsame Bewohner zwangsweise umgesiedelt. 1961 erfolgte im Rahmen der “Aktion Festigung” der Ausbau der Grenzanlagen, für die 26 Grundstücke eingeebnet wurden. Aus Protest gegen die Isolierung riefen die Bewohner von Rüterberg am 8. November 1989 die Dorfrepublik aus.

Der Grenzverlauf an der Elbe war immer strittig: soll die Grenze in der Flussmitte verlaufen oder soll der Fluss in voller Breite zur BRD gehören? Über den Grenzverlauf tobte am 18. Oktober 1966 eine kurze aber heftige Schlacht auf der Elbe. Außer ein paar Kratzer und Dellen an einigen Booten gab es zum Glück keine Schäden.

Direkt an der Elbe liegt die Gedenkstätte Rütersberg, in der das Schicksal des Dorfes im Sperrgebiet geschildet wird. Ein ehemaliger Grenzturm kann heute als Ferienwohnung gemietet werden. Im Dorf gibt es einen kleinen Wohnmobilstellplatz.

Binnendüne bei Klein Schmöken

Wir fahren weiter entlang der Elbe, an Dömitz vorbei bis zur größten Binnendüne Europas. Über 40 Meter hoch, 600 Meter breit und 2 Kilometer lang erstreckt sich dieser Sandberg. Über einen Dünenrundweg kann man bis nach oben steigen und hat ein Gefühl wie in der Dünenlandschaft auf Sylt! Auf dem ausgeschilderten Rundweg informieren Infotafeln über die geologischen und botanischen Besonderheiten dieser einmaligen Landschaft.

Das verschwundene Dorf

Weiter geht es die Elbe entlang bis nach Lenzen. Dort überqueren wir mit der Fähre den Fluss und kommen in Pevestorf in Niedersachsen an. Einen geeigneten Übernachtungsplatz finden wir am Stresower See direkt an der Gedenkstätte.

Am Ort der Gedenkstätte lag früher das Dorf Stresow. An die ehemals 16 Höfe erinnern heute nur noch 16 Bäume, die dort gepflanzt wurden.  Stresow lag auch im Sperrgebiet an der Grenze. 1952 begannen mit der bereits schon erwähnten “Aktion Ungeziefer”die ersten Zwangsaussiedlungen der ca. 100 Dorfbewohner. 1974 mussten die letzten Familien in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ihr Zuhause verlassen, vier Familien gelang in letzter Minute die Flucht in den Westen. Stresow wurde von der DDR-Staatsmacht dem Erdboden gleich gemacht.

Wir gehen ein ganzes Stück auf dem Kolonnenweg entlang und besteigen noch den Aussichtsturm am Stresower See. Im Gebälk haben sich Hornissen in einem sehr großen Nest eingerichtet. Auf dem Rückweg sehen wir einen wundervollen Regenbogen in der Abendsonne.

 

Route

 

Reiseberichte über die nächsten Tage

2 Replies to “Versailles des Nordens, Dorfrepublik und das verschwundene Dorf”

  1. Mirjam

    Hallo ihr Lieben
    Wiedermal sehr interessante Reisen. Danke für den Beitrag.
    Liebe Grüsse Mirjam und Jürgen

    • wspword Post author

      Hallo ihr Beiden,
      wir haben viel gelernt über die Deutsch-Deutsche Teilung und auch viel Schönes gesehen.
      Es geht bald weiter mit den Berichten.
      Liebe Grüße Wolfgang & Heike

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